Antimilitarismus in Aktion

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Im September 2012 fand in Deutschland eine antimilitaristische Aktionswoche statt – eine Auswertung

Die Idee für die Aktionswoche entstand in einer Kleingruppe auf der „Paxx-Aktionskonferenz“ – einem offenen Treffen von Antimilitaristinnen und Antimilitaristen – im März 2012 in Mannheim und war ursprünglich auf den Bereich „Bundeswehr an Schulen“ bezogen. Aufgrund hohen Interesses wurde das Thema jedoch kurz darauf auf Wunsch von Initiativen der Zivilklausel-Bewegung um den Bereich „Militär und Rüstungsforschung an Hochschulen“ ergänzt. Alle Vorschläge wurden aufgegriffen und vom 24. bis 29. September 2012 die Aktionswoche „Für militärfreie Bildung und Forschung“ organisiert. Die Koordination der Aktionswoche, also Organisation und Versendung eines bundesweiten Flugblatts und Betreuung der Aktions-Homepage konzentrierte sich im Bundesland Baden-Württemberg und wurde von der Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr Baden-Württemberg“ übernommen.

Schon kurz nach Start der Mobilisierung meldeten sich zahlreiche Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet, um die dezentrale Aktionswoche zu unterstützen. Getragen wurde die Woche von über einhundert Gruppen und Organisationen, darunter neben Friedensgruppen, Studierenden-Vertretungen und Partei-Jugenden auch die größte deutsche Bildungsgewerkschaft „GEW“ und die Kinderrechtsorganisation „terre des hommes“.

Aktionen

Für die Aktionen vor Ort waren die einzelnen Gruppen verantwortlich – sie wurden lediglich durch Materialien und Aktionsideen auf der zentralen Vernetzungs-Website zur Aktionswoche (www.antimilaktionswoche.wordpress.com) unterstützt. So fanden neben zahlreichen Informations-Vorträgen und Podiumsdiskussionen in vielen Städten auch unterschiedlichste kreative Aktionen statt. Einige davon sollen hier kurz vorgestellt werden:

In Sinsheim besuchten Aktivisten den Stand der Bundeswehr auf einer Jobmesse. Dort machten sie mit Flugblättern, einem Transparent und einem „Die-In“, bei dem sich einige Aktivisten bedeckt von einem mit Kunstblut verschmiertem Laken „tot“ gestellt haben, auf die Gefahren des Soldaten-Berufs aufmerksam.

In Heilbronn informierten Antimilitaristen mit einem Informationsstand und Stellwänden in der Innenstadt über die Werbe-Offensive der deutschen Armee. Zudem wurden zuvor mit Kreide auf den Boden geschriebene „Bundeswehr“-Schriftzüge symbolisch wieder weggeputzt.

In Köln wurden vor einer Schule Flugblätter mit dem fiktiven Arzneimittel „Antimilitarin“ – Schokoladen-Kugeln – an die Schüler verteilt um sie vor Militärpropaganda immun zu machen. Zudem gab es in der Stadt eine antimilitaristische Fahrrad-Tour.

In Stuttgart wurde das Gebäude des Schulministeriums mit Plakaten mit der Aufschrift „Bundeswehr raus aus Bildungseinrichtungen“ beklebt. Die Aktion richtete sich vor allem gegen einen in dem Bundesland – wie auch in sieben weiteren Bundesländern – bestehenden Kooperationsvertrag zwischen Armee und Schulministerium, mit dem sich die Bundeswehr den Zugang an die Schulen sichert.

In Kaiserslautern verteilten Antimilitaristen auf einer Werbeveranstaltung von Bundeswehr-Reservisten Flugblätter.

In Berlin wurden während der Aktionswoche vor 19 Schulen knapp 4.000 Flugblätter an Schülerinnen und Schüler verteilt. Zudem gab es eine kleine Kundgebung.

In Hamburg floss schon zwei Tage vor Beginn der Aktionswoche Kunstblut eine Treppe vor einer Jobmesse, auf der die Bundeswehr für sich warb, hinab. Zudem breiteten Friedensaktivisten ihre Forderung auf militärfreie Jobmessen auf einem Transparent aus.

In Bochum nahmen Aktivisten bereits zwei Wochen vor der eigentlichen Aktionswoche einen Armee-Messestand auf einer Berufsbildungsmesse zum Anlass für umfangreiche Proteste. Mit einem Informationsstand vor der Messe, Transparenten und einem Sarg wurden die jungen Messebesucher auf die negativen Seiten des Soldaten-Berufs aufmerksam gemacht.

Zufälligerweise fiel auch ein medialer Skandal um Armee-Werbung in die Zeit der Aktionswoche: die Bundeswehr veranstaltet seit Jahren Feriencamps für Jugendliche und kooperiert dabei mit dem größten deutschen Jugendmagazin, der BRAVO, die ihre Leserschaft ab einem Alter von 10Jahren angibt. Die propagandistische Bundeswehr-Werbung für die Camps auf den Internetseiten der BRAVO führte zu einer Online-Protestaktion von „terre des hommes“, welche großen medialen Anklang fand – bis hin zu den Abendnachrichten im Fernsehen. Zudem richteten einige Antimilitaristen reaktionsschnell eine Facebook-Gruppe ein, auf der man weitere Informationen über die BRAVO-Bundeswehr-Kooperation bekam, diskutieren und Protest-E-Mails an das Verteidigungsministerium und die BRAVO verschickten konnte.

Fazit

Aus Sicht einer der Initiatorinnen und Initiatoren hat die Aktionswoche, welche zunächst als Experiment für die bundesweite Vernetzung und Zusammenarbeit gesehen wurde, alle Erwartungen erfüllt. Sowohl die lange Liste an Unterstützerinnen und Unterstützer als auch die Menge, Vielfältigkeit und Kreativität der stattgefundenen Aktionen zeugen von Erfolg – auch wenn es noch mehr Aktionen hätten sein können. Dennoch hat die Woche der Bewegung neuen Schwung verliehen und gerade kleinere Friedensgruppen dazu ermutigt aktiv zu werden. Zwar ließ die bundesweite Pressearbeit durchaus zu wünschen übrig, dennoch gab es von Seiten der Medien einige Resonanz zu der Aktionswoche – gerade auch in Bezug um den Skandal um die BRAVO.
Von Seiten der Beteiligten besteht der Wunsch eine derartige Aktionswoche für militärfreie Bildung und Forschung zu wiederholen oder sogar regelmäßig durchzuführen um den Druck auf die Politik zu erhöhen und das Thema weiter in der Öffentlichkeit zu Problematisieren und zu diskutieren. Dazu sollte es allerdings eine noch längere Vorlaufzeit und eine noch bessere Unterstützung der Gruppen vor Ort – etwa durch Materialien und einen Referentinnen- und Referenten-Pool – geben. Bei einer nächsten Aktionswoche müsste der Termin zudem so gelegt werden, dass er sowohl für die Schulen als auch für Hochschulen günstig, also weder in Schul- noch in Semesterferien, liegt. Außerdem wäre ein Koordinationskreis mit Menschen aus verschiedenen Ecken des Bundesgebiets sinnvoll.
Die bundesweite antimilitaristische Aktionswoche vom 24. bis 29. September 2012 war ein Erfolg, kann aber nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zu militärfreier Bildung und Forschung gewesen sein – weitere müssen unbedingt Folgen!

Lena Sachs und Michael Schulze von Glaßer

http://www.wri-irg.org/de/node/20716

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